Wenzel Buechold
Foto: Nils HasenauFoto: Florian Bolk
Das Restaurant Aufwind Berlin ist nun seit einem Jahr in der Windscheidstraße 31 in Charlottenburg. Die Adresse in der Nähe des Lietzensees dürfte zumindest den etwas älteren Berliner Gourmets ein Begriff sein. In diesen Räumen betrieb Karl Wannemacher über 36 Jahre sein lange mit einem Michelin-Stern geziertes Restaurant Alt-Luxemburg. Als Reminiszenz an den Grandseigneur unter den Berliner Köchen versteht sich denn auch die Installation mit 36 roségoldenen Vögeln, die die Wand des Restaurants ziert. Ansonsten knüpft der Eigentümer und geschäftsführende Küchenchef Wenzel Büchold (37) allerdings nicht an die klassische Küche seines Vorgängers an. Er steht für eine vegetarisch geprägte Fusionküche mit aromenstarken, sinnlichen Gerichten, die von der Lust am Geschmack sprechen: „Appetit ist nicht Hunger. Das ist nicht dasselbe“, sagt Büchold. Für den 37-jährigen Autodidakten ist Essen eher Begehren als Bedürfnis, mehr Intuition als Konvention. Auf Fleisch und jegliche Convenience-Produkte, Zusatzstoffe oder Chemikalien verzichtet er komplett und macht von der Sauce bis zur Kräuterbutter alles selbst.
Zéro Dosage an der Bar
Nicht nur die Küche, auch die Räume des Restaurant Aufwind Berlin haben eine deutliche Veränderung erfahren. Entworfen hat das Design Wenzel Bücholds Mutter Corina, deren Ost-Berliner Band “Aufwind” namensgebend war (und nicht etwa die Straße, wie wir vermutet hatten). Direkt am Eingang steht ein großer, korallenfarben beleuchteter Bartresen, an dem wir uns mit einem Rosé Cuvée Katharina Zéro Dosage von Wieninger auf den Abend einstimmen. Pinot Noir und Zweigelt vom Wiener Bisamberg werden für mehr Säure und weniger Alkohol etwas später gelesen, die Reife erhält er durch lange 36 Monate auf der Hefe. Ein guter Start in dem Wissen, dass wir uns bei Sommelier Niklas Voßgätter und seiner 180 Positionen umfassenden Weinkarte in guten Händen befinden. An der Bar könnte man wunderbar den ganzen Abend verbringen. Aber wir sind ja zum Essen da und beziehen unseren schönen Tisch. Wie immer fällt es schwer, sich nicht an Brot, Butter, Quark und Öl satt zu essen. Vor allem Martina, die hunger- (oder hier besser: appetit-)technisch schnell das Handtuch wirft.
Asiatisch und peruanisch inspirierte Vorspeisen
Wir reißen uns also zusammen, um uns ganz auf die kommenden vier Gänge – einmal vegetarisch, einmal mit Fisch – konzentrieren zu können. In der Küche steht heute der 27-jährige Souschef von Wenzel Büchold, Jan Johannsen. Zusammen mit Commis Mick Mogel hilft er beim Kreieren der Rezepte. Zum Einstieg bekommen wir zwei Klassiker der Karte des Restaurant Aufwind Berlin: Knusprige Süßkartoffel-Kroketten mit Gurke, roter Zwiebel, Chili und Cashewcrème, die im Zusammenspiel der Konsistenzen gut funktionieren, während im Geschmack gefällige Süße ein leichtes Übergewicht hat. Die Ceviche vom Wolfsbarsch ist in der Säure wunderbar austariert und keinen Deut zu scharf, der Hermes Diactoros II 2019 von Ômina Romana aus dem Latium fügt charaktervolle Frische hinzu. Das Herbstgemüse kommt einmal mit gegrilltem Edelweis und einmal mit confiertem Eigelb. Die vegetarische Variante schmeckt uns dank des spannend zubereiteten Eis fast besser. Schade ist, dass das an sich ansprechende Gericht mit Herbstgemüse, Edamame und Himbeer-Chili-Gelee von einer massigen Erdnuss-Curry-Sauce ertränkt wird. Hier wäre weniger mehr gewesen.
Moderne Regionalküche, exzellente Weinbegleitung
Die Hauptgänge überzeugen auf ganzer Linie mit modernen, aus regionalen Zutaten zubereiteten Gerichten. Der Herbstgarten mit kräuterwürzigem Frankfurter Püree und einem leichten Käseschaum schmeckt köstlich. Der recht klassisch anmutende Müritzzander mit Pfifferlingen, Kartoffel-Schnittlauchpüree und Sellerie-Zitronenbutter ist handwerklich und geschmacklich sauber zubereitet. Die Stilistik dieser Gerichte scheint allerdings von einer anderen Handschrift als die der Vorgänger zu stammen. So entsteht bei aller Unkonventionalität der Eindruck, dass die Küche sich noch nicht so richtig entscheiden kann, wo es hingehen soll.
Nicht so beim Wein: Niklas Voßgätter weiß, was er tut und kredenzt zum Zander einen wunderbaren Tegernseerhof Riesling Smaragd 2018 vom Ried Loibenberg aus einer opulent geschwungenen Dekantierflasche von Riedel. Zum Herbstgarten hingegen wählt er einen vollen Grünen Veltliner 2018 Ried Steinertal Smaragd. Von der Qualitätsstufe her entspricht das nach deutscher VDP-Klassifizierung dem Großen Gewächs entspricht. Ebenfalls aus Österreich kommt der herrliche Dessertwein Ruster Ausbruch 2017 von Heidi Schröck mit dem schönen Zusatz “Auf den Flügeln der Morgenröte”. In der Tat heben wir angesichts dieses perfekten Süße-Säure-Spiels in Kombination mit dem umwerfenden Snickers Deluxe-Karamell-Erdnuss-Törtchen komplett ab. Zum Finale also ganz goßes Kino. Genau wie der diskrete, kompetente und herzliche Service unter der Leitung von Peter Izarik, den wir noch aus dem Pauly Saal und dem Restaurant Cell kennen. Danke an das gesamte Team vom Restaurant Aufwind Berlin, wir haben uns sehr wohlgefühlt.
Öffnungszeiten
Restaurant Aufwind, Windscheidstraße 31, 10627 Berlin
Dienstags bis samstags ab 18 Uhr geöffnet. Die Terrasse (bei gutem Wetter) ist bis 22 Uhr geöffnet. Tischreservierung: telefonisch unter 030- 547 10 800 oder via E-Mail an kontakt@aufwind.berlin