Von Berlin nach Heiligendamm
Wir gehen italienisch essen in Heiligendamm. Gut zweieinhalb Stunden braucht der Regionalzug vom Berliner Hauptbahnhof nach Rostock. Der Blick über die weiten Weizenfelder Mecklenburgs stimmt auf die weiße Stadt am Meer ein. Unser Ziel ist das legendäre Seebad Heiligendamm, in dem pünktlich zu Ostern das Restaurant Medinis mit klassisch italienischer Spitzenküche eröffnet hat. Von Berlin aus wächst sich das mittägliche Lunch so zu einer echten Landpartie aus. Und diese lohnt sich allein schon wegen des tiefblauen Himmels, der Weite des Meeres und dem großbürgerlichen Buddenbrook-Charme der Heiligendammer Strandpromenade.
Maßgeschneidertes italienisches Restaurant
Am Ende der “Perlenkette” aus größtenteils bereits renovierten Strandvillen befindet sich im östlichsten historischen Haus Bischofsstab das Medinis. Es ist ein für Heiligendamm-Investor Anno August Jagdfeld typisches Restaurantprojekt. Den apulischen Spitzenkoch Luigi Frascella hatte er in Harry’s Bar in London entdeckt und mit der Zusage, ein ihm auf den Leib geschneidertes Restaurant zu errichten, nach Heiligendamm geholt. Frascella hat es offenbar nicht bereut und schwärmt von Heiligendamm, den tollen Synergien mit der Familie Jagdfeld und dem schönen Umfeld, in dem seine kleine Tochter aufwachsen wird.
Maritimes Design
Pate für den Namen stand quasi der Urvater italienischer Küche in Heiligendamm Gaetano Medini, „Oberhofküchenmeister“ des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin im 19. Jahrhundert. Für die herrlich luftige, maritime Ausstattung zeichnet Jagdfelds Frau Anne Maria verantwortlich. Wie in den anderen Restaurants bewies sie auch im Medinis ein unfehlbares Händchen für luxuriöse Interieurs: „Inspiriert von der Weite des Himmels und dem Blau des Meeres wollte ich ein Ambiente schaffen, das die Stimmung der Seebadkultur aufnimmt und eine zeitlose, selbstverständliche Eleganz ausstrahlt.”
Aperitif am Meer: Franciacorta & Octopus
Ordentlich beeindruckt von diesem Arkadien am Meer und dem Glück, einen nahezu perfekten Junitag erwischt zu haben, steigt unsere Vorfreude auf die angekündigte klassisch-italienische Spitzenküche. Nachdem mein Kollege Niko Rechenberg und ich uns während der Fahrt inständig einen Franciacorta als Aperitif gewünscht hatten, werden wir mit der “Ca del Bosco Cuvée Prestige” großzügig belohnt. Dazu reicht Küchenchef Frascella persönlich hausgebackene Grissini mit Parmesan, weißem Pfeffer und Parmaschinken. Dazu gibt es delikat gegrillten Octopus und Gamberi mit Porchetta, die förmlich auf der Zunge zergehen. Wir fühlen uns wie in Portofino, wo die Blautöne ebenso mit dem Meer verschwimmen wie in Heiligendamm. Gibt es eigentlich schon den Begriff des “Infinity Restaurants”? Das Medinis wäre ein gutes Beispiel dafür. Definitiv heißt Italienisch essen in Heiligdamm hier Dolce Vita wie in Italien.
Die Antipasti: Produkte bester Herkunft
Ganz klassisch italienisch geht es weiter mit den Antipasti. Dazu gehören Wassermelonensalat mit Rucola und Feta, Carpaccio di Manzo, gefüllte Zucchiniblüte, gegrillte Paprika, in Kastanienblättern gereifter Pecorino. Zum Dahinschmelzen entpuppt sich der Kartoffelsalat mit Trüffeln. Bei diesem Signature Dish von Luigi Frascella geraten seine Fans regelmässig in Ekstase. Sehr fein ist auch das Wolfsbarschcarpaccio mit Confit von Sorrent-Zitronen und Gemüse, der genau wie die anderen Vorspeisen in reinster Form die Produktliebe und technische Perfektion Frascellas zeigt. Typisch für italienische Chefs legt er besonderen Wert auf hervorragende Zutaten bester Provenienz. Diese stammen entweder aus Italien oder vom Jagdfeldschem Bioland Gut Vorder Bollhagen (von hier bezieht auch der India Club im Hotel Adlon sein Fleisch), und einige baut er sogar im eigenen Kräutergarten an.
Die Primi Piatti: Pasta vom Feinsten
Als Primi Piatti serviert Luigi Frascella erst einen Ravioli-Tris. Köstlich das mit Osso buco alla milanese gefüllte Exemplar, das mit einer Sauce aus dem Knochensud kommt. Auch der Raviolo mit Ricotta und Tomatenessenz und einer Gremolata aus Rosmarin, Zitrone und Orangen schmeckt hervorragend. Sein ganzer Stolz allerdings sind die schlicht von einem aromatischen Tomatensugo begleiteten Gnocchi. Diese stellt er als gelungene deutsch-italienische Allianz aus Kartoffeln der Sorte Adretta her, die direkt vom Gut kommen. Die Knollen kocht er nicht etwa, sondern bäckt sie zwei Stunden lang bei 100 Grad im Ofen. Ihre perfekt mehlige Konsistenz sorgt dafür, dass sich die Zugabe von Ei und Mehl erübrigt. Das Ergebnis ist sensationell. Diese Gnocchi vergißt man nicht, und sie zählen definitiv zu den zartesten, fluffigsten und vollkommensten, die ich je gegessen habe.
Weinauswahl von den Sommeliers des Lorenz Adlon
Auf der von den Sommeliers des Lorenz Adlon in Berlin zusammengestellten Weinkarte fällt auf, dass sich hier nicht auf die großen, prestigeträchtigen Regionen und Weingüter beschränkt wird. Vielmehr stechen eigenwillig aromatische Tropfen wie die Cuvée Re Manfredi aus Müller Thurgau und Traminer-Trauben hervor. Dank des vulkanischen Bodens der Basilikata verfügt sie über eine schöne Balance aus Mineralität und weicher Trinkigkeit. Der hervorragende Terlaner|Vorberg, ein Pinot bianco aus Südtirol, hingegen präsentiert sich gefälliger, mehrheitsfähiger und zudem als ausgezeichneter Begleiter zum Fisch.
Riesengarnelen vom Josper Grillofen
Während wir noch in den Pastagerichten schwelgen und uns im Mozzafiato-Blick auf das Meer verlieren, steht der Chef bereits an seinem Josper, dem ultimativen Kohle-Grillofen aus Spanien, um die Gamberoni alla griglia alla pizzaiola vorzubereiten. Diese Tiere sind wirklich riesig und kommen mit vielen Kräutern, Tomaten, Anchovis, Kapern, Rucola (Luigi liebt Rucola!) aufgeklappt auf den Tisch – für meinen Geschmack von der Konsistenz her nicht ganz perfekt, sondern einen Tick zu mehlig, was vielleicht der Größe geschuldet ist. Angesichts der seit Stunden überbordenden Tafel verzichten wir wohlüberlegt auf den Fleischgang und gehen direkt zum köstlich erfrischenden Sorbet aus Ananas, Minze und Vanille und einem verführerisch schmelzenden Schokoladenfondant über. Schnell noch ein Kaffee im Stehen, in den Shuttle und in letzter Minute auf den Zug gesprungen…
Italienischer Leuchtturm in Mecklenburg
Ob wir wiederkommen? Ganz bestimmt! Italienisch essen in Heiligendamm könnte nicht schöner sein. Dieser Tag am Meer hatte etwas Magisches, für ein paar Stunden sind wir dem Alltag entkommen, haben Pläne geschmiedet, eine der noch nicht sanierten Villen als Alters-WG umzubauen oder beim nächsten Besuch des Medinis eine Nacht ein Grand Hotel Heiligendamm zu verbringen oder am Strand… denn selbst im großen Berlin ist es gar nicht so einfach, so sauber und präzise zubereitete italienische Spitzenküche zu finden. Ein großes Kompliment an Luigi Frascella und sein Team für diesen italienischen Leuchtturm in meinem geliebten (und gastronomisch so arg vernachlässigten) Mecklenburg. Ci vediamo presto!
RESTAURANT MEDINIS, Prof.-Dr.-Vogel-Straße 14, 18209 Heiligendamm. www.medinis-restaurant.com