Mit 57.100 Hektar Rebfläche und 10,6 % der französischen Produktion ist das Weinbaugebiet Val de Loire die drittgrößte Wein- und die größte Weißweinregion Frankreichs. Die Weinstraße des Loiretals ist die längste Frankreichs, führt auf 800 km durch die Weinberge des Loiretals und ist entlang des Königsflusses mit beeindruckenden Schlössern und vielfältigen Weinlandschaften, auf denen sich nicht weniger als 51 DOC/DOP-Appellationen und 6 IGPs verteilen. Die „Fines Bulles“ genannten Schaumweine von der Loire sind in Deutschland als Prickelland Nr. 1 besonders beliebt, allen voran die Crémants de Loire. So überrascht es nicht, dass Deutschland vor den USA und UK die wichtigsten Importeure anführt. Wir waren vor Ort und haben uns vor der Kulisse herrlicher Schlösser durch die vielfältigen Schäumer der Loire probiert.



Was sind Fines Bulles de Loire?
“Fines Bulles” ist ein spezifischer Begriff, der sich hauptsächlich auf hochwertige Schaumweine von der Loire bezieht, die in bestimmten AOCs produziert werden. Zu den „feinen Perlen“ zählen nicht nur die AOC Crémant de Loire, sondern auch die AOC Saumur, Touraine, Anjou, Vouvray und Montlouis-sur-Loire. Hier werden seit 1811 Schaumweine in traditioneller Flaschengärung produziert. “Mousseux” hingegen ist ein allgemeiner Begriff für französische Schaumweine, die außerhalb der spezifischen AOCs in verschiedenen Weinregionen Frankreichs und verschiedenen Produktionsmethoden hergestellt werden können.
Am strengsten sind die Bedingungen in der AOC Crémant de Loire, die es per offiziellem Dekret seit dem 17. Oktober 1975 mit Modifikation vom 23. September 2011 gibt. Sie erstreckt sich über die Gebiete Anjou, Touraine und Cheverny, die Lese der nur aus diesen Regionen stammenden Trauben darf ausschließlich per Hand erfolgen, der Wein muss mindestens 12 Monate auf der Hefe reifen. Daraus wird deutlich, dass nicht jeder Nicht-Champagner automatisch aus einer Crémant-Appellation stammt.
Méthode traditionelle
Wie in der Champagne werden die Weine nach der ersten alkoholischen Gärung auf die Flasche gezogen und durchlaufen hier die zweite Gärung- nur dass es an der Loire nicht „methode champenoise“ heißen darf, sondern „méthode traditionelle“. Je nach Appellation sind mindestens neun bis zwölf Monate für die Lagerung auf der Hefe vorgeschriebenen, für eine bessere Aromatik und eine feinere Perlage verlängern viele Häuser sie auf bis zu drei Jahre oder länger. Fines Bulles und Crémants de Loire schmecken in den Qualitätsstufen Brut (<15 g Restzucker), extra Brut (<6 g) und Brut Nature (<3 g) am besten.



Typische Loire-Rebsorten
Die wichtigsten Rebsorten für Weißweine sind Chenin Blanc und Chardonnay. Bei den Rotweinen werden Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Pineau d’Aunis, Grolleau und Pinot Noir in den feinen rosafarbenen Bläschen verarbeitet. Die große autochthone Rebsorte der Loire, der Chenin Blanc, steht für Frische, natürliche Säure und eine fesselnde Aromenpalette, die sich langsam entwickelt. Der ebenfalls an der Loire beheimatete Cabernet Franc ist mit seinen beerigen Noten für den Schmelz und die Komplexität der Rosé-Schaumweine verantwortlich. Die AOC Vouvray und Montlouis-sur-Loire werden ausschließlich aus Chenin Blanc hergestellt.
Gemeinsam haben alle Schaumweine der Loire ein vom Meer und seinen Winden günstig beeinflusstes, eher kühles Klima und den Wasserreichtum des größten Flusses Frankreichs. So hatte der Klimawandel auf die Loire-Weine bisher kaum die verheerenden, hitzebedingten Auswirkungen, mit denen südlichere Weinregionen massiv zu kämpfen haben.
Charakteristisches Terroir
Was den eigentlichen Unterschied zwischen den Appellationen ausmacht, ist neben den Rebsorten und der Dauer des Hefelagers vor allem das Terroir. Die Bodenbeschaffenheiten reichen von dunklem Schiefer und Tuffstein in den AOC Saumur und Anjou, Feuersteinlehm auf Kreideuntergrund, Sand auf Lehm und leichtem Kies in der AOC Touraine sowie feuersteinhaltigen Tonböden und Tuffsteinsubrat in Montlouis-sur-Loire und Vouvray. Salzige Noten stammen übrigens entgegen der landläufigen Meinung niemals aus der Meeresluft, sondern genau wie mineralische Noten aus dem Boden. Neben Böden, Klima und Rebsorten ist auch die Lagerung in den für die Loire typischen, natürlichen Kalksteinhöhlen eine Besonderheit der Schaumweine von der Loire.
Champagner oder Fines Bulles de Loire?
Natürlich gibt es Gelegenheiten, wo es Champagner sein muss. Dennoch können hochwertige Crémants und Schaumweine von der Loire mit ihrer feinen Struktur, der Frische und der eleganten Frucht durchaus mit den feinen Perlen aus der Champagne mithalten. Die Perlage ist mit einem Flaschendruck von 3,5 bar etwas milder als beim Champagner (zwischen 5 und 6 Bar). Sie glänzen durch eine große geschmackliche Vielfalt von leichten, fruchtbetonten Varianten bis hin zu strukturreichen Schaumweinen, die mehrere Jahre auf der Hefe gelegen haben. Die sowohl reinsortig als auch als Cuvées ausgebauten Perlen gibt es in vielen Spielarten, so dass sie sich bei ganz unterschiedlichen Anlässen einsetzen lassen. Nicht zuletzt wegen ihres erschwinglichen Preises können die feinen Schäumer zu jeder Gelegenheit spontan entkorkt werden und passen nicht nur klassisch zum Apéritif, sondern begleiten Fisch, Meeresfrüchte und Desserts hervorragend.



AOC Vouvray: Hochburg für Schaumweine
Auf unserer Reise hatten wir die Gelegenheit, viele großartige Schaumweine von der Loire zu verkosten. Ein paar unserer ganz persönlichen Favoriten möchten wir euch nicht vorenthalten:
Allen voran lohnt sich für Fans prickelnder Weine ein Besuch in der AOC Vouvray. Das kleine Dorf östlich von Tours ist die Hochburg des Chenins, der hier sein großes Potential zeigt. 60% der 2000 Hektar großen Appellation in der Tourraine entfällt auf die Fines Bulles de Vouvray, die sie zusammen mit den lieblichen Vouvray moelleux berühmt gemacht haben.
Die Fines Bulles aus Vouvray können in verschiedenen Stilen produziert werden, je nachdem, wie lange sie auf der Hefe reifen. Die Grundweine können entweder in Edelstahltanks oder in Holzfässern vergoren werden, bevor sie zur Flaschengärung übergehen. Die Zeit, die der Wein auf der Hefe verbringt, variiert von mindestens 12 Monaten bis zu mehreren Jahren. Dies ermöglicht eine breite Palette von Stilen, von jungen und frischen Schaumweinen bis hin zu komplexen, reifen und cremigen Variationen. Insgesamt zeichnen sich die Fines Bulles aus Vouvray durch ihre Vielfalt, ihre ausgeprägte Säure, ihre mineralische Note und ihre aromatische Intensität aus.

Unsere Favouriten im Vouvray
Als großartiger Zero Dosage-Schaumwein (3 Jahre auf der Hefe) überzeugte uns der Feuilles d’Or 2013 Brut non dosée von der Domaine d’Orfeuilles mit seiner erfreulichen Aromenvielfalt von Birne, cremigem Käse und einem Hauch von Honig und Zitrusnoten – nicht zu vergessen den für die besonderen Böden dieses Weinguts berühmten „Feuersteingeschmack“. Wer Naturweine mag, sollte den Le Naturel Pétillant Vouvray (erhältlich z.B. bei Tannico) des biologisch-dynamisch arbeitenden Winzers Sébastien Brunet kennenlernen. Wir hatten das Glück, ihn frisch degorgiert in der typischen Tuffsteinhöhle seines Weinguts zu probieren und konnten uns an der ganzen Kraft des Terroirs und einer Nase mit Aromen von weißfleischigen Früchten und Honig erfreuen – ein kraftvolles, knackiges Trinkerlebnis.

Besonders am Gaumen geblieben ist uns der Champalou Extra Brut 2016 von der gleichnamigen Domaine Champalou (erhältlich unter anderem bei in vino Potsdam). Wie alle Weine des Vouvray ist er zu 100% aus Chenin blanc-Trauben gekeltert, lag 2 Jahre auf der Hefe und überzeugt durch große Eleganz und Aromatik mit feinen Brioche-Noten. Diese Fines Bulles ist typisch für den Stil von Céline Champalou, die die Eleganz des Chenin, den charakteristischen Lehmboden mit Kalkstein und den speziellen Ausdruck des Jahrgangs optimal zur Geltung bringt. Dass das Weingut heute Terra Vitis-zertifiziert ist, legt Zeugnis von einem ökologisch verantwortungsvollen und nachhaltigen Denken ab, das sich von der Bodenbearbeitung bis zum Weinausbau erstreckt. Von der frühmorgendlichen Lese der Trauben über die schonende Pressung, von der sorgfältigen Cuveetierung bis zur zweiten Gärung in der Flasche mit dem natürlichen Zucker der Trauben tragen alle dieser Schritte zur Raffinesse und den cremig-zarten Perlen bei.



Das richtige Pairing
Ganz klassisch serviert man die Schaumweine von der Loire zum Aperitif mit den in Frankreich so beliebten Bouchées oder natürlich zu Austern und Meeresfrüchten. Außerdem passen süß-salzige Gerichte und fruchtige Desserts zu den Fines Bulles. Eine besondere Gelegenheit braucht es nicht, um eine Flasche zu öffnen – damit wird jeder Tag zu einem besonderen Tag!
“Bei uns ist der richtige Zeitpunkt, um einen Brut zu genießen, sobald das Glas leer ist!” scherzt Céline Champalou. Und ergänzt ein bisschen ernsthafter: “Unser Brut wird sorgfältig verarbeitet und hat eine weinige Textur, die ihn zu einem Tischbegleiter macht. Ich mag ihn besonders gerne zu Sushi, Maki und Carpaccio von Fisch und Fleisch. Er passt auch hervorragend zu einer schönen Käseplatte mit Ziegenkäse, der nicht zu stark gereift ist, Comté und Käse mit Trüffel (das ist großartig!). Wir sind gerade in der Erdbeersaison und haben ihn am Wochenende zu einem Erdbeersalat und ein paar Financiers genossen, was sehr lecker war.”
Deshalb ist jetzt auch genau die richtige Zeit, um ihr Rezept „Tartare acidulé de fruits frais“ zusammen mit dem Brut Champalou oder einem anderen Schaumwein von der Loire auszuprobieren:
Rezept: Tartare aus frischen Früchten
Zubereitung: 20min , Kochen: 5min, für 4 Personen.
Zutaten: 60g Puderzucker; 1 Vanilleschote; 6 Zweige Basilikum; 3 Esslöffel Rohrzuckersirup; 500g Erdbeeren; 500g Aprikosen; Servierringe.
Bringe 6 Esslöffel Wasser mit dem Zucker und der aufgeschlitzten Vanilleschote zum Kochen. Nehme es vom Herd und lasse den Sirup ziehen, bis er abgekühlt ist. Basilikum abspülen und die Blätter überbrühen. Einmal kurz aufkochen und wieder abkühlen lassen, dann abtropfen lassen und mit dem Rohrzuckersirup pürieren. Wasche die Früchte, putze die Erdbeeren und entsteine die Aprikosen. Schneide die Früchte in feine Würfel, gebe den Vanillesirup hinzu und vermenge alles. Richte die Fruchttartes mithilfe von Servierringen auf Tellern an und dekoriere sie mit dem Basilikumsirup. Gut gekühlt servieren.
Tipp: Wer keine Ringe hat, formt das Tartar mithilfe einer kleinen Schüssel zu Kuppeln auf Tellern und dekoriert sie mit dünnen Erdbeerscheiben, damit sie zusammenhalten.



Übernachtungstipp: Domaine des Bidaudières
Ein ganz wunderbarer Pied-à-terre ist die Domaine des Bidaudières im Vouvray mit einem herrlich gelegenen kleinen Schloss, Pool und entzückend eingerichteten Zimmern. Hier im Zentrum der Loire gibt es nicht nur die tollen Chenins, sondern von Blois über Chambord bis Chenonceaux die berühmtesten Schlösser in unmittelbarer Nähe: https://www.bidaudieres.com/
Diese Reise wurde unterstützt vom Loire Wein-Dachverband Inter Loire