Ich mag den Wintergarten an der Potsdamer Straße in Schöneberg. Für mich eine der Institutionen, die Berliner gesehen haben müssen – und ein sicherer Tipp für jeden amüsierwilligen Touristen sowieso.
Bei der Eröffnung vor 25 Jahren war ich dabei; und damals schon restlos begeistert. Nachdem der aktuelle Hype um „Babylon Berlin“ die Stadt immer mehr in einen 20-Jahre-Sündenpfuhl mit Swing-Tanz-Veranstaltungen und verruchten Rendezvous an „Grüne-Fee-Bars“ verwandelt, scheint mir dieses eigentlich aus der Zeit gerutschte Varieté mit den roten Plüschvorhängen und livrierten Kellnern so aktuell wie nie.
Da fällt mir ein: ich mache demnächst definitiv einen Swing-Tanzkurs! Und werde natürlich berichten!
Jetzt war ich wieder mal zu einer aktuellen Premiere geladen. Und hier schon ein kleiner Hinweis: ich erzähle zunächst über den äußerst gelungenen Auftakt der neuen Show, handwerklich sauber, abwechslungsreich, ein Spaß und kurzweilig auf jeden Fall. Dann allerdings möchte ich über die Toilette reden. Genau! Denn seit Orpheus hat wahrscheinlich nie wieder eine Unterwelt mit solchen Reizen gelockt: Ich weiß, es gab einen riesigen Bahnhof zur Eröffnung. Aber da war ich nicht dabei. Also durfte ich wie im Rausch das Klo, gestaltet von Hut-Designerin Fiona Bennett, erstmals erleben. Und war – sprachlos! Zum Glück sind die Voraussetzungen hier so ausgereift – mit Lautsprechern und fest integrierter Champagner-Bar – dass dieses rund 270 m² große Schmuckstück auch für Partys und Empfänge gebucht werden kann.
Doch vor dem Vergnügen erst das Vergnügen: „Take it easy“ heißt die neue Show im Wintergarten und ist definitiv „kein Griff ins Klo“;-). Zur Premiere war es bitterkalt in Berlin – draußen minus 14 Grad. Drinnen jedoch ging es hoch und heiß her. Eine Show mit viel Akrobatik, Zauberkunst, Illusion und Livemusik verzauberte das Premierenpublikum. Ein „Roadtrip zu den Wurzeln des Rock und Pop“ versprach das Programm – und so war es dann auch. Hatte die Band anfangs noch Anlaufschwierigkeiten – das kann auch an den Temperaturen gelegen haben – entwickelte sich der Abend mit jedem Hit mehr.
Harte Kerle in Lederjacken, eine Truppe Akrobaten mit unglaublichen Sixpacks und noch mehr Oberarmen, eine außergewöhnliche Jonglage- und Diabolo-Nummer, eine Sexbombe, die auf einer Harley Davidson turnt, ein Liebespaar in einer unglaublich-sinnlichen Ballet- Performance, Spaß mit dem Bauchredner und ein Promi, der durch Programm führt: Tim Wilhelm, seit sechs Jahren Frontmann der Münchner Freiheit. Die Mischung hat Charme und Tempo, Humor, Sex, lässt den Besucher staunen, ist stimmungsvoll, romantisch und kurzweilig. Dazu Hit an Hit von Johnny Cash, Dolly Parton, James Blunt, Rolling Stones, Nirvana, Ed Sheeran – Country, Folk. Rock. Das Premierenpublikum tanzte am Ende begeistert mit! Also hingehen, Spaß haben und einen Abend alles eher „easy“ sehen.
Die Show läuft bis 10. Juni immer mittwochs bis sonnabends um 20 Uhr und sonntags um 18 Uhr
Zum Glück musste ich mal aufs Klo! Zuerst unfreiwillig und dann noch dreimal hintereinander – freiwillig! Ich bin selten komplett „geflasht“ – diesmal war ich es!
First Flush nennt sich das neu gestaltete Untergeschoss im Wintergarten. Wahrscheinlich das einzige „stille Örtchen“ Berlins mit eigenem Namen. Hutdesignerin Fiona Bennett, die ihren exklusiven Salon gleich gegenüber betreibt, durfte sich hier – zusammen mit ihrem Geschäftspartner Joachim Böhme, auf Feinste ausgetoben. Fiona, die u.a. für Brad Pitt und Yoko Ono originelle Kopfbedeckungen entwarf, wurde vom Chef des Hauses, Varietè-Direktor Georg Strecker, beauftragt. Er liebt ihren Salon, ihre Phantasie und ihre Kreationen – und ließ ihr freie Hand. Vorher war der Zustand typisch: nur drei öde Damenklos im Foyer, in den Pausen stets lange Schlangen. Jetzt kann man für die auftretenden Künstler nur hoffen, dass die Damen und Herren nach der Pause vom Pullern überhaupt wieder in die Vorstellung kommen!
Über die Kosten wird nur gemunkelt – aber eins ist sicher: es war teuer, alles ist vom Feinsten und maßgeschneidert, mehr als 200 Manufakturen waren an diesem Meisterwerk beteiligt. Über die geschwungene Freitreppe geht es in die rund 270 m² großen Unterwelten. Das Männerklo – Gentlemen first – besteht aus winzigen blauen Mosaiksteinchen, Spiegelbrücken ziehen sich über den gesamten Raum, die Waschbecken sehen aus wie fallende Tropfen, sind aus Bronze und 90 Kilo schwer. Schattenmaler haben die Silhouetten von Artisten auf die Rückseite der Kabinen gezaubert und die Spiegel geben den pinkelnden Herren die Illusion, auf dem Kopf zu stehen.
Rund drei Jahre dauerten die Vorbereitungen– aber das Ergebnis ist jeden Cent und jede Minute wert. Hier unten wird die Welt des Varietés und der Magie weitergelebt. Perfekte Illusion mit Motiven des Tingeltangel: Tauben, die aus Zylindern flattern, fliegende Bälle, Kugeln, Masken. Die Flügeltüren ins Reich der Damen sind verziert durch eine opulente Milchglasscheibe. Dahinter ein Mädchentraum: Ein Schminkspiegelbaum mit acht rosébeigefarbenen Samthockern. Die Toiletten selber befinden sich in einem Art-Deko-Tunnel, der sich perfekt für Foto-Shootings eignet. Das Abgefahrenste aber sind die Spiegel: Tritt man heran, wirbeln beinahe magisch weiße Federn vor der Glasscheibe! Fiona Bennett findet es „meditativ“, ich finde es einfach grandios. Und mag mal prophezeien: Küchenpartys sind total gestern! Heute feiert man gesellschaftliche Ereignisse auf dem Klo im Wintergarten.
Mehr Informationen zu den Künstlern, Preisen und Zeiten gibt`s hier
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